1. Mai Rede von Pascale Buser

01.05.2014

Gerade noch gestern haben mich meine Klassenkameraden gefragt: „Und Pascale, gehst du morgen nach Zürich Pflastersteine werfen und Autos anzünden?“ Zu erwähnen wäre hier noch, dass dies eine Klasse voller Lehrabgängerinnen und Lehrabgänger ist. Alles junge Menschen, welche schon ihre Erfahrungen im Berufsleben gemacht haben und sicher nicht immer nur gute. Brennende Autos und vermummte Steinwerfer/Steinwerferinnen, ist das das Bild, welches die heutige Jugend vom 1.Mai hat, dem Tag der Arbeit? Wissen wir und die ganze Schweiz noch, warum wir uns an diesem Tag auf verschiedensten Plätzen der Schweiz versammeln und demonstrieren?


Früher oder später müssen wir alle arbeiten gehen und uns unsere Brötchen verdienen gehen. Ja, müssen wir, dürfen wir oder wollen wir arbeiten gehen? Haben wir die Wahl?


Ich hoffe fest, dass viele unter uns sagen können: Ja, wir wollen, wir gehen gerne arbeiten. Und ich hoffe noch fester, dass es Schritt für Schritt immer mehr Menschen so gehen darf. Dass der Lohn nicht der einzige Grund ist, morgens aufzustehen und zur Arbeit zu gehen. Dass gearbeitet wird aus Freude daran, in einem guten Team, angemessener Entschädigung und fairen Sozialleistungen.


Dafür müssen wir einstehen. Gewerkschaften beitreten, den Mund aufmachen oder abstimmen gehen an den 4 Sonntagen im Jahr. Wir habe alle die Möglichkeit, uns zu wehren, ja wir sind gar verpflichtet. Als linke Parteien haben wir uns auf die Fahne geschrieben, eine Partei für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu sein und für deren Rechte zu kämpfen!


Die Mindestlohn-Initiative ist einer dieser Schritte, den wir hoffentlich gehen können. 4000Stutz für 100% büeze bedeutet mehr Freiheit, mehr Selbständigkeit und Anerkennung.


Die AHVplus-Initiative will 10% mehr Renten. Es soll allen, die ein Leben lang gearbeitet haben, möglich sein ein Leben nach der Pensionierung zu führen ohne den Rappen ständig umkehren zu müssen. Die AHV ist uns sicher, solange gearbeitet wird und ist darum zwingend zu fördern. Das auch weil die AHV auch Frauen hilft, welche durch Mutterschaft und Kinderbetreuung eine Zeit lang nicht auswärts arbeiten gehen. Erziehungsgutschriften gleichen diese erwerbslose Zeit aus.


Da wären wir schon bei dem Thema, welches mir persönlich besonders am Herzen liegt:


Nämlich die Gleichstellung von Frau und Mann. In Zeiten, wo Frauen immer noch weniger verdienen als männliche Kollegen und Männer immer noch viel seltener die Möglichkeit haben, Teilzeit zu arbeiten, ist es von grösster Wichtigkeit, sich dieser Problematik bewusst zu sein und sie anzugehen. Wir müssen aufhören das männliche System und Arbeitsverhalten als Maxime zu betrachten. Die Frauen sollen sich nicht genauso kaputtarbeiten bis in alle Nacht hinein, damit sie die Karriereleiter erfolgreich hinaufklettern können. Männer sind nicht erst richtige Männer, wenn sie 120% arbeiten und Kinderzeit als Luxusgut gehandelt wird. Es ist von absoluter Dringlichkeit, dass wir die Massstäbe wieder den Menschen anpassen und aufhören, uns von den Arbeitgebern auf der Nase herumtanzen zu lassen. Aber Achtung! Auch wir Linken sind noch lange nicht davor gefeit, nicht selbst in solche Genderfallen zu tappen. Machen die hier anwesenden Männer wirklich Hausarbeit oder „helft“ ihr nur? Sind die hier anwesenden Mütter auch wirklich immun gegen den schizophrenen Begriff „Rabenmutter“, wenn wir uns aus Notwendigkeit oder aus Lust dazu entscheiden, wieder arbeiten zu gehen?


Nehmen wir uns das Recht und den Mut, heute am 1.Mai aber auch jeden Tag des Jahres, Ungerechtigkeiten und Zumutungen aufzudecken und anzuprangern. Tragen wir alle unseren Teil dazu bei, im Alltag und in der Politik, am Arbeitsplatz und in der Schule, diese Welt, in der wir alle leben, ein grosses Stück gerechter, solidarsicher und freier zu gestallten.


Geben wir nie auf und fassen wir Mut in solchen gemeinsamen Momenten.


Gute Arbeit. Mindestlohn. JETZT, ich danke euch!